Deutsche Version der Seite Le choc : comment gérer ses émotions ?
24. Konferenzzyklus von Cery – 15. September 2010
Die Prüfungen des Lebens – Der Schock : Wie beherrscht man seine Gefühle
Von Suzanne Niquille, Psychopädagogin, Ausbildung für Erwachsene
Die Gefühle bestimmen unser ganzes Leben.Sie sind der Ausdruck unserer tiefsten Identität. Wir haben Tendenz, die Gefühle zu befürchten und sie als gefährlich zu betrachten, sogar als eine Behinderung in unserem Privatleben, wie auch in unserem professionellen Leben.
Es sollte uns aber bewusst werden, dass diese Gefühle wichtig sind in der Entstehung unserer Persönlichkeit und man soll ihnen den richtigen Platz wieder geben. Indem man sie verdrängt, können sie uns gefährlich entgegen kommen, aber wenn man sie erkennt, ermöglichen sie uns alle von der Last unserer Vergangenheit zu befreien. Wir können unsere Fähigkeiten zu lieben, zu arbeiten und zu schöpfen, besser ausbreiten.
Seit unserer Kindheit bestimmen unsere Gefühle die Konstruktion unserer Lebensgeschichte, die Entdeckung und den Ausdruck unserer Persönlichkeit. Sie erlauben ausgeglichene Beziehungen mit den anderen, wie auch mit unserer Umgebung.
Am Ende des letzten Jahrhundert hat die Neurowissenschaft entdeckt, dass wir zwei Intelligenzzentren besitzen: Eines, das nachdenkt und das andere, dass fühlt oder spürt.Wir verfügen über einen rationalen und gefühlsmässigen Geist. Im Gegenteil zur rationalen Intelligenz, kann man die Gefühlsintelligenz verbessern, indem wir unsere gesamten Gefühle erkennen und benutzen1.
Was uns heute Abend interessiert, ist zu verstehen, warum wir oft empfinden, dass wir von unseren Gefühlen beherrscht werden und auch wie etwas geändert werden kann. Die Ereignisse des Lebens treffen uns auf verschiedenen Ebenen : Auf der Körperlichen, Psychischen und auch auf die in unserer Seele.
Die erste Frage von Nelly Perey war die folgende :
Was empfinden wir, wenn die Prüfung erscheint ?
Ich möchte mitteilen, dass wir unsere ganze Lebensgeschichte so erleben, weil sie die Summe unserer Gefühle ist. Der Kummer beginnt nicht, wenn man jemanden verliert, sondern er erscheint wieder, wo man ihn schon getroffen hat. An diesem Tag zerbricht er uns ein bischen mehr als sonst, und kommt uns unerträglicher vor.
Eines Sonntags, im Oktober 1998, sagte mein Mann: «Setz dich, ich will dir etwas sagen». Was folgte war so heftig, dass mein Leben an diesem Moment zusammenbrach. Ich wäre beinahe gestorben. Ich reagierte mit meiner ganzen persönlichen Geschichte vor dieser Prüfung und mit meinen Erlebnissen, die mich schon einmal zerstört hatten. Nach jeder Katastrophe konnte ich nur noch den Kopf aus dem Wasser halten, und hielt mich an jedem Brett fest, bis ein milderer Zwischenfall mir wieder Mut gab. Von Ereignissen zu Ereignissen, gelang es mir zu überleben und noch einige Jahre zu meinem Leben hinzufügen. Ich kann an diesem Abend bezeugen, dass mich dieses brutale und heftige Ereignis wieder zum Leben brachte. Ich fand mich vor einer Wahl : Entweder leben oder sterben. Darauf entschied ich, meine Illusionen und meine Träume aufzugeben, und mich nicht mehr auf ein Leben zu sehnen, das nicht meines ist. Ich entschied mich ganz einfach zu existieren.
Die Prüfungen sind normalerweise unvorhersehbar. Darum verlieren wir alle unsere Stützen und die Kontrolle, die wir auf das Leben glaubten, zu haben. Nichts läuft mehr, alles wird ganz irreal. Wir fühlen uns gefangen und empfinden uns am Leiden aller Menschheit schuldig. Gestern war es noch das Leiden der anderen, das wir im Fernsehen sahen, das uns berührte. Wir stehen vor dem Unvermeidlichen und in einer Falle. Wir befinden uns vor dem Unbekannten.
Die Prüfung zerstört uns, indem sie uns in das stürzt, was wir verweigern. Wir fühlen den Mangel an etwas, dass uns wichtig vorkommt. In diesem Etwas können wir viel einschliessen, wenn wir erfahren, dass wir tot krank sind. Zum Beispiel ein liebes Lebewesen, ein Gegenstand, ein Tier, eine Arbeit, sogar das Leben selbst.
Jeder Mensch reagiert persönlich an den Geschehnissen des Lebens. Das Leiden kann nicht stufenweise eingeschätzt werden, wir erleben es, im Bezug auf unsere eigene Lebensgeschichte. Und diese Geschichte beginnt schon an der Geburt.
Um dieses zu bestätigen, habe ich den Auszug von Dr. Thierry Jansen2 ausgewählt. Er beginnt folgendermassen: «Und wenn das Leben ein Pulsschlag wäre...»
«Das Leben ist ein Geheimnis, welches unsere analytischen Gedanken verzweifelt versuchen, aufzuklären. Aus dem unendlichen Kleinen zum unendlichen Grossen, durch Mikroskope und Teleskope, haben wir es geschafft, einen grossen Teil der Komponenten dieses Lebens zu beschreiben. Die Struktur des Atoms ist uns bekannt und wir können die Chromosome so klein zerschneiden, um die Materie, sowie den Geist manchmal zu manipulieren. Im Gegenteil wissen wir nicht wie das alles entsteht, was wir beobachten können.
Die Welt hat uns gelernt, dass die Materie, dass heisst das Leben, Energie ist, und dass die Energie aus Schwingungen besteht. Die Metaphysik lehrt uns, dass das Bewusstsein Energie ist (...) und das Leben Bewusstsein, so wäre das Leben geprägt durch Schwingungen (...) ; dies können wir von der Lebenskraft her verstehen, die sich durch einen grossartigen Pulsschlag äussert (...), in verschiedenen Frequenzen und Rythmen. Als sei die Begegnung zwischen zwei gegensätzlichen Kräften die unvermeidliche Bedingung für die dauernde Erschaffung der Welt. Was ist der Mensch in all diesem Umfeld? Ist er ein Gegenstand unter vielen anderen im Universum, oder ein Bestandteil dieser Materie; er ist den gleichen Regeln unterzogen, ob er es will oder nicht...»
So stammen wir alle aus der gleichen «Ursuppe» von der alle Sterne gebildet wurden, wenn ich es so sagen kann. Darauf begründe ich mich an diesem Abend. Wir sind nicht isolierte Personen, sondern wir bestehen alle aus einer gleichen ursprünglichen Kraft, das heisst aus einer selben Energie und wir sind mit dem ganzen Universum verbunden. So kann man den Dichter (ich weiss seinen Namen nicht mehr) verstehen, wenn er folgendes sagt: «Wer eine Blume pflückt, bringt die Sterne in Unordnung».
Davon erfolgt die Frage: «wie können wir diese Kraft nützen ?»
Als Säugling sind wir zerbrechlich und von unseren Eltern abhängig. Sie geben uns Nahrung, Liebe, Sicherheit und erziehen uns. Ohne sie könnten wir nicht überleben. In unseren ersten Lebensjahren gibt es einen dauerhaften Austausch mit ihnen.
Dieser Austausch wird unsere Persönlichkeit auf die eine oder andere Weise prägen, indem man in einer Familie mit Liebe geboren wird oder in einer, die dysfunktioniert. Während dieses Austausches entwickeln wir uns entsprechend des Bildes, das wir von unserer Umgebung bekommen. Die Worte und die Gesten unserer Eltern hinterlassen Spuren in uns, für das Beste oder das Schlimmste, wenn ich es so sagen darf. Wir können uns diesem Vorbild nicht entziehen, weder dem unserer Eltern, noch dem Elternersatz oder anderen Institutionen, die als Aufgabe haben, uns zu erziehen.
Wir lassen uns von den Erwachsenen formen, durch verschiedene Anordnungen und Projektionen unseres Lebens. Diese ursprüngliche Kraft prägt uns, zum Beispiel folgenderweise: «Du bist schön, du bist böse, du kannst meine Träume verwirklichen, du wirst mir gleichen...» Das Problem ist, dass wir uns immer mehr von unserer inneren Kraft entfernen. Jungs Meinung nach, «werden wir als Einheit geboren, aber begegnen der Uneinigkeit, um uns später wieder zu vereinigen». Wenn wir zu dieser Arbeit der Vereinigung nichts unternehmen, werden uns immer noch die Gefühle, als auch die Schwierigkeiten in unserem Leben beherrschen, anstatt der perfekten Kraft, die wir bei unserer Geburt bekommen haben.
Diese ursprüngliche Kraft ist ein Teil unseres Wesens, das echt und lieb ist, und «das Beste in uns», um den Ausdruck von Guy Corneau3 zu zitieren. Es ist eine wunderbare Energie, die uns begleitet und uns die Kraft gibt, die verschiedenen Abschnitte und die Prüfungen unseres Lebens zu meistern.
Aber wenn wir unsere Persönlichkeit aufbauen, indem wir uns formen lassen, nehmen wir verschiedene Überzeugungen zu uns. Wir benützen die ursprüngliche Kraft, um uns an die äusseren Anforderungen anzupassen. Wir projizieren nach aussen die Werte, die nicht unsere sind, glauben aber diese weiterführen zu müssen.
Eine Frau, die ich begleiten konnte, erzählte mir, wie ihre Mutter sie immer für ihre Schönheit verehrte, so dass die Tochter ein perfektes Bild von sich selbst entwickelte. Ihr Aussehen war die Hauptbesorgnis, seit ihrer Kindheit. An einem Tag ihrer Jugend, machte sie ihre Mutter ironisch, auf einen leichten Strabismus aufmerksam, der auf einem Identitätsphoto sichtbar war. Das Bild, das die Tochter von sich selbst hatte, zersplitterte. Von heute auf morgen war sie nicht mehr die Schönheit, die man von ihr erwartete. Sie rannte von Schönheitspflegen zu Schönheitsoperationen, und besorgte sich nur um ihr Aussehen, bis ein Zwischenfall in ihrem Leben ihr Körper «verstümmelte». Eine Welt brach für sie zusammen.
In unserer Kindheit legen wir diese Energie in die Werte der Erwachsenen, die uns umgeben. So geben wir Kinder ihnen das Beste von uns und manchmal dient auch ihnen unsere Kraft . In diesem Austausch helfen sie uns, uns zu bilden. Manchmal können sie mit dieser Kraft nicht umgehen, so dass ihre Worte und ihre Einstellungen, den empfindlichsten Teil von uns verletzten. Sie können nicht wissen, dass wir ihnen unser Bestes geben, da auch sie von der ursprünglichen Kraft schon entfernt sind.
Indem wir den anderen vertrauen und das Beste von uns geben, schaffen wir uns ein Gefängnis. Vor allem wollen wir anerkennt und geliebt werden. Schliesslich, da wir unser Bestes geben, dürfen wir auch verlangen, dass sie uns ihre Liebe schenken. Um diese Liebe zu erzielen, lassen wir den anderen den Platz.
Erwachsen, wenn wir uns allein fühlen, weit von uns entfernt, streben wir immer nach dem, das wir verloren haben und versuchen diese Leere mit Zuneigung zu Personen oder Sachen zu füllen.
Ich möchte ihnen mitteilen, dass die Zuneigung zu unseren Gefühlen ein Gift ist, indem es der Grund unserer Dramen wird. Lassen sie uns nachdenken, was unsere Prüfungen im Leben sein könnten ohne unsere emotionalen Bedingungen... Denn sie würden uns wie banale Nachrichten vorkommen, die wir mit einem Lächeln aufnehmen würden. Wir sollten mit uns Mitgefühl zeigen.
Ich habe neulich im wunderbaren Buch von Dr. Rachel Naomi Remen4 folgendes entdeckt. Ich werde ihnen einen Abschnitt über die Zuneigung vorlesen, der meine Aufmerksamkeit erregt hat: «Die Zuneigung hat ihren Ursprung in der Persönlichkeit, während die moralische Verpflichtung von der Seele kommt. In unserer Anschauung des Lebens, sowie in unseren menschlichen Beziehungen, ist die Zuneigung ein Verschluss und die moralische Verpflichtung eine Öffnung. Das moderne Leben richtet uns zu Personen mit einer strengen Zuneigung und nicht zu denen mit Verpflichtung. Man hat oft Schwierigkeiten den Unterschied zwischen den beiden zu machen. Dennoch ist die Zuneigung eine Falle mit tiefem Abgrund, während uns die Verpflichtung zu einer grösseren Freiheit bringt, auch wenn sie uns eher als ein Zwang vorkommt. Das eine wie das andere ermöglicht uns durchzuhalten, in den Strömungen des Lebens, wie auch gegen verschiedene Versuchungen. Oft sieht man nur in der vergangenen Zeit, ob die Tat oder die Beziehung zu mehr Freiheit oder mehr Unterwerfung geführt hat. Die Gefühlsverbindung ist ein Reflex, eine automatische Antwort, die nicht immer das Beste in uns zeigt. Die Verpflichtung ist eine bewusste Wahl, das heisst, dass man mit seinen tiefen Werten und seinen Entscheidungen übereinstimmt. Man muss manchmal akzeptieren alles aufzugeben, wenn wir uns in höchster Gefahr befinden, um zu überleben. Nur das Leben sollte nie aufgegeben werden.
So dass wir uns, von Beziehung zu Beziehung, ein «goldenes Käfig» bauen, wie es Marie-Lise Labonté5 erklärt, die wir schon mehrmals zitiert haben.
«Wir lieben und wir lassen uns von den anderen lieben. Die andere Person wird für uns das Wichtigste... Im Alltag leugnen wir unsere Angst ab, wenn wir zurückgewiesen, verlassen oder nicht anerkennt werden... Wir vergolden unseren Käfig, um im Blick der anderen in Glanz zu erscheinen...In unserem Gefängnis sammeln sich die Gewohnheiten, die wir in unserer Erziehung gelernt haben: gute Manieren und Prinzipien. Dazu kommen noch die Spuren unserer Verletzungen, unserem Leiden, unsere Misserfolge und unsere nicht erfüllten Träume. Wir sind zwanzig Jahre alt und wir lächeln, aber knirschen mit den Zähnen... Wir sind dreissig und wir leiden an Schlaflosigkeit, denn wir haben Angst, das zu verlieren was wir aufgebaut haben. Wir sind vierzig und wir verstecken unsere Falten. Wir sind fünfzig und wir haben vor der Zukunft Angst. Wir sind sechzig und wir vergolden immer noch unseren Käfig bevor wir sterben. Wann hören wir damit auf ?»
Ich war ungefähr fünfzig, als ich noch einmal umkippte.
Mir war, als beherrschte ich meine Umwelt. Mein Leben verlief ohne Probleme und doch hatte ich Angst. Ich versuchte immer wieder alles zu verschönern. Ich verbrach die meiste Zeit, die Pflegeteams der palliativen Krankenpflege zu begleiten, so wie die Personen am Ende ihres Lebens. Ich hatte die Arroganz zu glauben, dass ich einmal auch meinen eigenen Tod bewältigen würde.
Diese seelische Erschütterung hat mich zerstört, und während mehreren Monaten habe ich den Kopf über das Wasser gehalten, um zu überleben. Von psychiatrischen Kliniken und Neuroleptikum, habe ich ein Bild von mir als Krankenopfer entwickelt. Ich stürzte in einen Melancholiezustand und liess mich abdriften, während ich ständig meinen negativen Erlebnissen nachgrübelte.
Wenn uns so ein Drama erwischt, ist das Leiden so unerträglich, dass uns der Tod als einziger Ausweg vorkommt, um dem seelischen Schmerz zu entgehen. Diese Lebensprüfung trifft uns im Wesentlichen unseres Lebens. Die Überlebenden solcher Ereignissen sprechen davon als: ein Tsunami, der sie überflutet hat, ein Blitz, der sie zerstört hat, etwas, das sie aus heiterem Himmel erwischt hat, eine gezwungene Landung auf einem feindlichen Planet, usw. So ist es eben auf einem solchen Planet, auf dem wir landen : ein Ort, auf dem alle unsere Anhaltspunkte vernichtet wurden. In diesem Ort werden wir leben müssen, ohne die Möglichkeit zurückzukommen.
Die Prüfung hat die Macht alle Tatsachen umzuwerfen, die wir glaubten gesichert zu haben. Es kommt uns vor, als hätte uns Gott verlassen, oder als wären wir das Objekt eines unerbittlichen Schicksals. Wir glaubten alles unter Kontrolle zu haben, und dass dieses nur den anderen passieren könnte. Plötzlich sind wir die anderen !
Als ich auf diesem feindlichen Planet landete, verbrachte ich mehrere Monate in der erschreckenden Dunkelheit. Doch realisierte ich, dass ich trotzdem noch lebendig war. Die ursprüngliche Kraft führte mich ans Licht. Ich wagte endlich wieder ans Leben zu glauben, indem ich neue Masse in meiner Existenz experimentieren konnte. Ich kam aus meiner Benommenheit heraus und hatte die Kraft meinen Gefühlen entgegenzustehen, wie der Angst, der Wut, der Scham, der Traurigkeit oder der Schuld. Ich wanderte durch den dunkeln Mechanismus des Lebewesens, um die verschiedenen Teile meiner Person wieder zu versammeln.
Man kann die Erlebnisse des Lebens als eine schreckliche Ungerechtigkeit betrachten und sie nur als eine Verwüstung ansehen. Man kann sich aber auch sagen, dass es möglich ist, etwas davon zu lernen und sich die Frage zu stellen, was will mir das Leben mitteilen?
Die Prüfungen unseres Lebens bringen uns mehrere Sachen bei, wie zum Beispiel ein besseres Bewusstsein des Wesentlichen aber auch den Überfluss in unserem Leben zu sehen. Realisieren, dass unsere professionelle Orientierung falsch war, dass unsere Ehepartnerschaft im Schema einer Ko-Abhängigkeit funktioniert, usw. Wagen wir dieser Situation ins Auge zu sehen, unsere Empfindungen zu fühlen, die Wiederholung der Taten in unserem Leben zu identifizieren, unsere Vergangenheit zu analysieren, und beginnen wir diese Schmerzen in unsere Geschichte aufzunehmen.
Im Moment in dem ich begriff, dass mein Leben nicht mehr das selbe sein würde, war ich sehr erschrocken, da ich nicht wusste, inwiefern es sich ändern würde. Ich wurde hin und her gerissen, zwischen der Lust zu sterben oder dem Gefühl voraus zu sehen, zwischen einem Lachkrampf und dem Weinen, zwischen Optimismus und Verzweiflung. Dann entschied ich mich, dieses Kapitel meines Lebens noch einmal zu öffnen, da ich es zu viel geschlossen hatte: es war zu schwierig oder zu schmerzhaft gewesen! Doch von Seite zu Seite konnte ich diese Kapitel ins Buch meiner Lebensgeschichte integrieren. Heute kann ich mich an diese Erlebnisse ohne Schmerz, ohne Urteil und ohne Bedauern erinnern.
Um die letzte Frage von Nelly anzusprechen, welchen Sinn meiner Lebensprüfungen zu geben, zitiere ich noch einmal Marie-Lise Labonté : «Die Schock-Welle dieser Prüfung öffnet ein Loch in unserer Mauer, in unserer Festung. Wir werden durch diese Kraft mitgerissen und müssen uns zwischen Leben oder Tod entscheiden. Diese Wahl wird uns angeboten, weil es uns bewusst wird, dass wir uns entscheiden müssen. Als rufe uns das Leben aus der Rolle nur Überlebende zu sein... Wir haben die Kraft und die Gewissheit in ein bewussteres Leben zu steigen, im Gegensatz sich zu einem nicht gewählten und gefälschten Leben zu stecken. Nichts verhindert uns mehr zu dem Wesentlichen unseres Lebens zu streben, nichts als wir selbst. Was wählen wir in dieser Situation ?»
Der Sinn, was uns geschieht hängt, allein von unserer Wahl ab.
Als ich ein Seminar besuchte, erinnerte ich mich gut an den Tag an dem mein Lehrer sagte, es gibt keine Vergangenheit, keine Zukunft nur die Gegenwart, die sich verwirklicht. Dann folgte eine Übung, um diese Gegenwart zu erleben und uns auf uns zu zentrieren. Als ich in mein Hotel zurückkehrte, entschied ich mich, diese Übung fortzusetzen. Ich empfinde noch heute das klare Gefühl, dass ich bewusst im Rhythmus meiner Schritte vorwärts kam. Ich überquerte mehrere belebte Strassen, ohne dass ich je nach rechts oder links schaute; ich wusste genau, was rund um mich herum geschah, ohne daran zu denken. Mir wurden die Gefahren bewusst ohne ihnen vorwegzunehmen. Ich lief mehr als eine halbe Stunde weiter und war ganz versunken in dem Bewusstsein, was um mich herum geschah. Als ich ins Hotel kam brach ich auf meinem Bett zusammen und schrie vor Freude ein Ja zum Leben. Meine Wahl war getroffen !
Diese Wahl hat mir erlaubt so viele Dinge zu realisieren, die ich vorher nicht wagte zu unternehmen, weil ich kein Vertrauen in mir oder in die anderen hatte. So wagte ich auch nicht mich selbst oder die anderen lieb zu betrachten, die Gegenwart geniessen zu können und Abstand von meiner eigenen Geschichte wie von meinem Schmerz, zu nehmen.
Dem Unglück zu überleben ist keine Garantie glücklich zu sein, sondern ein Beweis frei entscheiden zu können. Von einer Rolle des Opfers können wir wählen, unser Leben selber zu gestalten und es nicht passiv zu erdulden. Diese bewusste Wahl erlaubt uns unsere persönlichen Werte zu respektieren und nicht die, der anderen. Wir entdecken eine andere Weise der Liebe, die uns nicht einschliesst.
Doch sich wieder lebendig zu fühlen und seine Seele zu befreien, ist eine intensive Erfahrung, die viel Energie verlangt. Die Veränderungen, die das Leben bringt sind für Manche schwierig und sie finden Zuflucht in einer täglichen Routine. Andere gelangen an neue Glaubenswerte und kommen sich als Auserwählte vor.
Dem Leben zusagen ist nicht heldenhaft, da sich das Leben in uns befindet. Erleben wir es einfach, wie eine ständige erneuerte Erfahrung von jedem Augenblick mit uns selbst. Schauen wir uns dieses Leben an, wie ein Erforschungsgebiet und nicht wie ein Minenfeld. Nehmen wir uns Zeit, um uns von den schönen Seiten begeistern zu lassen. Unser Herz soll für uns sprechen, denn dieses kennt die einfache Sprache der Liebe, die uns tröstet.
Es gibt kein Wundermittel, um seine Gefühle zu beherrschen.
Doch gibt es mehrere Übungen, die uns dazu helfen können. Wer hat die Disziplin, sie zu lernen und sie regelmässig durchzuführen? Ich habe diese Werkzeuge den anderen jahrelang weitergegeben ohne sie für mich streng zu praktizieren. Ich bin nie jemandem begegnet, der diese Übungen lang genug gemacht hat und mit seinen Gefühlen geheilt werden konnte.
Wir können mit diesen Werkzeugen weitermachen und sich damit eine nützliche Ruhepause erlauben. Die Gelassenheit, die Freude, die Liebe oder die Freiheit findet man nicht auf Rezept. Diese Zustände können auf Mass fabriziert werden durch Geduld und mit dem wertvollen Material unserer eigenen Lebensgeschichte. Thierry Jansen schliesst sein Buch mit folgendem Satz ab, und dieser wird auch mein Abschluss sein: «Der Weg, (der uns zum geheimen Ort unseres Sein führt) hat kein Ende. Er bringt uns in die Unendlichkeit, mitten in die wunderbare Erschaffung dieser Welt. Eine Erschaffung, die immer wiederholt wird... Bleiben wir einen Moment stehen... Hören wir zu... Wir können, in der Weite, die Geräusche dieser Bewegung wahrnehmen: Ausdehnung, Zusammenziehung. Trennung und Verbindung. Das sind wir !»
Ich danke ihnen für das Zuhören und ihre Aufmerksamkeit.
Referenzen
1 Daniel Goleman - L'intelligence émotionnelle tome 1 + 2. Ed. Robert Laffont
2 Thierry Jansen – Le travail d'une vie: Quand psychologie et spiritualité donne un sens à notre existence. Ed. Marabout
3 Guy Corneau, Le meilleur de soi
4 Rachel Naomi Remen – Sagesse au coin du feu: 80 histoires pour guérir et se réconcilier avec soi-même. Ed. Robert Laffont
5 Marie-Lise Labonté – Le point de rupture – Comment les chocs d'une vie nous conduisent à l'essentiel. Ed. Albin Michel
Uebersetzung : Jacqueline Vorburger
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